Urheberrecht, Filesharing: Minderjähriger von OLG Hamm verurteilt

Ein eher unrühmliches Urteil hat das OLG Hamm in Sachen Filesharing zum Nachteil eines Minderjährigen getroffen, OLG Hamm, Urteil vom 28.01.2016, Az. 4 U 75/15.

Der Inhaber eines Internetanschlusses, ein Familienvater, wurde wegen der öffentlichen Zugänglichmachung eines Computerspiels abgemahnt. Er trug vor, dass das Spiel vom PC seines 12jährigen Sohnes hochgeladen, dieser aber zuvor explizit dazu angehalten worden sei, das Internet nicht zu Zwecken des Filesharing zu nutzen. Aufgrund dieses Vortrages wurde letztlich die zwischenzeitlich gegen den Anschlussinhaber ergangene einstweilige Verfügung wieder aufgehoben. Nunmehr passierte jedoch etwas, das der Anschlussinhaber – und nicht nur dieser – wahrscheinlich nicht für möglich gehalten hatte: Die Rechtsanwälte des Rechteinhabers verklagten den minderjährigen Sohn und nahmen diesen auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Und das erfolgreich: Die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen in das Unrecht seines Tuns wird gesetzlich (widerleglich) vermutet. Das OLG Hamm führt insoweit aus:

Die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB besitzt, wer nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig ist, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein (BGHZ 161, 180). Für die Bejahung der Einsichtsfähigkeit reicht ein allgemeines Verständnis dafür aus, dass die Handlung gefährlich ist und die Verantwortung begründen kann (BGH, VersR 1970, 374). Die Prüfung der deliktischen Verantwortlichkeit ist hierbei sorgfältig zu trennen von der erst in einem nachfolgenden Schritt vorzunehmenden Verschuldensprüfung (BGH, NJW 1970, 103g; Palandt/Grüneberg, BGB,75. Aufl. [2016], S. 276 Rdnr. 6). Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Einsichtsfähigkeit trägt der in Anspruch genommene Minderjährige; ab dem Alter von sieben Jahren wird deren Vorliegen vom Gesetz widerlegbar vermutet (BGHZ 161, 180).

Da der Minderjährige nicht nachweisen konnte, dass ihm diese Einsichtsfähigkeit gefehlt hat (dies rein praktisch umzusetzen ist auch reichlich schwierig), wurde er verurteilt. Die Rechtsanwälte  der Rechteinhaber waren sich nicht zu schade dafür, dies auf ihrer Internetseite derart zu kommentieren:

„Vor diesem Hintergrund ist bedauerlich, dass Eltern sich immer wieder, unter Rückgriff auf die so genanntem Morpheus Rechtsprechung, „hinter ihren Kindern verstecken“ und meinen wegen der erfolgten Belehrung keinen Ansprüchen ausgesetzt zu sein. Im Ergebnis muss ein junger Mensch nun mit einer erheblichen Last in sein volljähriges Leben treten.

Die Nimrod Rechtsanwälte halten es indes für die moralische Pflicht von Eltern Schäden, die ihre Kinder verursacht haben, zu regulieren und den Ausgleich familienintern vorzunehmen“.

Ich halte es ja für eine moralische Pflicht, ein zum Tatzeitpunkt 12 Jahre altes Kind nicht wegen des öffentlichen Zugänglichmachens eines Computerspiels zu verklagen. Aber manche „Kollegen“ sind da wesentlich schmerzfreier. Das Urteil zeigt auch die Diskrepanz zwischen der strafrechtlichen und der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit von Minderjährigen: Während ein 13jähriger nicht für die Tötung seines Spielkameraden zur Verantwortung gezogen werden darf, muss ein 12jähriger die Verantwortung für eine Urheberrechtsverletzung übernehmen. Großes Kino.