Filesharing: Arbeitgeber haftet nicht für Filesharing seiner Angestellten

Das AG Charlottenburg hat sich mit Urteil vom 08.06.2016, Az. 231 C 65/16, mit der Frage zu beschäftigen, wann ein Arbeitgeber für Filesharing seiner Mitarbeiter haftet. Dies hat das AG Charlottenburg zum Anlass genommen, sich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH zu beschäftigen. Im Ergebnis hat das AG Charlottenburg, in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung zur sog. Störerhafftung entschieden, dass der Arbeitgeber für Filesharing seiner Mitarbeiter nicht haftet. Er hat keine Belehrungspflicht, weil man von  (in der Regel volljährigen) Mitarbeitern erwarten kann, dass diese wissen, dass sie das Internet nicht für illegales Filesharing benutzen dürfen – sie dürfen es im Zweifelsfall ja noch nicht mal zu legalen privaten Zwecken benutzen. Darüber hiaus habe der Arbeitgeber, so das AG Charlottenburg, auch keine Überwachungspflicht im Hinblick auf seine Mitarbeiter. Dies gelte jedenfalls dann, wenn in der Vergangenheit noch keine Verdachtsmomente bestanden haben, dass die Mitarbeiter das Internet zu Zwecken des Filesharing nutzen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Die Täterschaft des beklagten Anschlussinhabers als anspruchsbegründende Tatsache ist aber nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen von der Klägerin darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH, Urteil vom 15. November 2012, GRUR 2013, 511 – Morpheus), wobei allerdings nach der obergerichtlichen Rechtsprechung gewisse Beweiserleichterungen gelten sollen. Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so soll im Allgemeinen eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGHZ 185, 330 -Sommer unseres Lebens-). Daraus wiederum folge auch eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, welcher geltend macht, nicht er sondern eine andere Person müsse die Rechtsverletzung begangen haben, da die betreffenden Vorgänge allein in seiner Sphäre liegen. Eine Umkehr der Beweislast ist damit aber ebenso wenig verbunden wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, der Gegnerin alle für ihren Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt vielmehr der von der Rechtsprechung entwickelten sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und wenn ja, welche Personen im relevanten Zeitraum selbstständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und daher als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen; in diesem Umfang kann der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 08. Januar 2014, I ZR 169/12 – BearShare).

Jedenfalls aber spricht auch bei Zugrundelegung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze keine tatsächliche Vermutung (mehr) für eine Täterschaft des Beklagten, denn er ist seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem er vorgetragen hat, dass zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch mindestens eine andere Person, nämlich die namentlich benannten Mitarbeiterin, diesen Anschluss mit seiner Kenntnis benutzen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014, a.a.O.). Es spricht aufgrund des erheblichen und in sich schlüssigen Gegenvortrags des Beklagten nicht mehr dafür, dass der Beklagte, nur weil er selbst als Geschäftsinhaber auch Anschlussinhaber ist, die – unterstellte – Rechtsverletzung begangen hat, als die den Anschluss in gleicher Art und Weise nutzende Mitarbeiterin. Vielmehr spricht eindeutig dagegen, dass der Beklagte angegeben hat, im Tatzeitraum gar nicht im Laden gewesen zu sein. Zwar setzt das Filesharing eine Anwesenheit nicht voraus, jedoch erscheint es schon nicht plausibel, dass jemand, bevor er für das Wochenende sein Geschäft verlässt, noch einen Download- (und damit zugleich Upload-)vorgang für ein Musikalbum in Gang setzt. Zudem gibt der Beklagte aber sogar an, dass der von ihm persönlich im Büro genutzte Computer ausgeschaltet gewesen sei; Voraussetzungen für die Nutzung der Tauschbörse wer aber jedenfalls eine bestehende Internetverbindung. Schließlich gibt der Beklagte konkret an, das im Gegensatz zu ihm die Zeugin … zum behaupteten Tatzeitpunkt in der Werkstatt gewesen sei, so dass es jedenfalls nicht wahrscheinlicher erscheint, dass der Beklagte der Täter war als diese andere Person. Der Beklagte hat die andere Nutzerin nach seinen Angaben auch ergebnislos befragt, mehr ist ihm insoweit nicht zuzumuten.

Beweis über die Behauptungen des Beklagten war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu erheben. Zur Erschütterung der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung reicht vielmehr schlüssiger Gegenvortrag aus. Unter diesen Umständen ist es wiederum Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 ff – Morpheus -). Solche Umstände hat die Klägerin nicht dargetan; ein taugliches Beweisangebot erfolgt nicht. Sie bestreitet lediglich fast den gesamten Gegenvortrag mit Nichtwissen, was zwar nach § 138 Abs. 4 ZPO zulässig ist, aber nicht dazu führt, dass erheblicher Vortrag hinsichtlich der Täterschaft vorliegt; zudem ist insbesondere unstreitig geblieben, dass es sich eben gerade nicht um einen Privatanschluss, sondern einen Geschäftsanschluss handelt.

Auch aus den neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus Juni 2015 (Urteile vom 11.06.2015, Az. I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14, – juris) folgt nicht, dass der Vortrag des Anschlussinhabers zur Erschütterung der tatsächlichen Vermutung von diesem bewiesen werden müsse. Der BGH hatte vielmehr in keinem der drei Rechtsstreite über die Beweislast im Falle ausreichenden Tatsachenvortrages zur Erschütterung der Vermutung zu entscheiden. Es ging in dem “Mallorca-Fall” (Az. I ZR 19/14) gerade nicht primär darum, dass die Beklagtenseite einen alternativen Geschehensablauf dargetan hatte. Vielmehr hat sie dort behauptet, niemand aus der Familie komme als Täter in Betracht, da sie sich die gesamte Familie im Urlaub befunden habe. Dies ist aber gerade kein Vortrag im Sinne der vorliegend in Bezug genommenen BearShare-Entscheidung. Denn damit wird lediglich die Richtigkeit der Ermittlung bestritten. Selbstverständlich war dann – wie geschehen – Beweis über die Ordnungsgemäßheit der Ermittlung zu erheben und die Familienmitglieder waren gegenbeweislich als Zeugen zu vernehmen. Dies hat jedoch entgegen der Ansicht der Klägerseite nichts mit der Erschütterung der Vermutung zu tun. Erst sozusagen hilfsweise stellte der dortige Beklagte in den Raum, eines seiner Kinder habe möglicherweise dies doch getan haben können, wobei der Vortrag auf Vermutungen beruhte, vage und in sich und insbesondere zum Hauptvortrag dort widersprüchlich war. All diese Besonderheiten fehlen hier. Es ist eine konkrete eigenverantwortliche Nutzungsmöglichkeit der erwachsenen Mitarbeiterin zum von der Klägerin behaupteten Tatzeitpunkt seitens des Beklagten dargetan. Ähnliches gilt für die beiden anderen vom BGH zu entscheidenden Fälle, bei denen es in einem Fall nur um die Belehrung der feststehenden minderjährigen Täterin ging (Az. I ZR 7/14) und in dem dritten Fall (Az. I ZR 19/14) ebenfalls nicht um einen alternativen Geschehensablauf, sondern – wie im “Mallorca-Fall” – um das Bestreiten der Täterschaft sämtlicher dortiger Familienmitglieder (und mithin auch dort um das Bestreiten der Richtigkeit der Ermittlung).

Den Beklagten treffen in Bezug auf seine erwachsene Mitarbeiterin keine Belehrungspflichten hinsichtlich des Internetanschlusses (vgl. noch nicht im Volltext veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.05.2016, Az. I ZR 86/15 betreffend Wohngemeinschaften, volljährige Besucher oder Gäste). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den anderen Nutzern um volljährige Mitarbeiter, hier kann daher nichts anderes gelten. […] Anlasslose Prüf- oder Kontrollpflichten hatte der Beklagte ebenso wenig. Denn bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Mitarbeiter/innen ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass die anderen Nutzer den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, a.a.O.). Dass der Beklagte vor dem streitgegenständlichen Vorfall Anlass hatte, einen Missbrauch des Internetanschlusses durch Mitarbeiter/innen zu befürchten, hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.“