Filesharing: Schwarzer Tag für Abgemahnte – BGH stärkt Position der Rechteinhaber

Am 11.06. richteten sich die Blicke aller Urheber- und Medienrechtsanwälte gebannt Richtung Karlsruhe, wo sich der Bundesgerichtshof in gleich drei Fällen mit dem Thema Filesharing auseinanderzusetzen hatte. Womit so nun wirklich kaum einer gerechnet hatte: Der BGH hat in allen drei Filesharing-Verfahren den klagenden Rechteinhabern Recht gegeben und die Abgemahnten zu erheblichen Schadensersatzzahlungen verurteilt. Bislang liegt nur die Pressemitteilung des BGH vor; die ausführlichen Urteilsgründe folgen erst in den nächsten Wochen. Der Pressemitteilung lassen sich aber bereits jetzt die folgenden Punkte entnehmen, die auch für die aktuellen Filesharing-Abmahnverfahren (die vor dem BGH verhandelten Abmahnungen datierten noch aus 2008!) von großer Bedeutung sein dürften:

  • Der BGH hält einen Schadensersatz von 200,00 € pro Musiktitel für angemessen. In den vorliegenden Filesharing-Verfahren wurde jeweils ein Musikalbum mit 15 Titeln angeboten, d.h. die Abgemahnten wurden zur Zahlung von 3.000,00 € verurteilt. Klar ist damit, dass gerade bei Filesharing-Abmahnungen, die mehrere Alben oder auch Filme betreffen, die von den abmahnenden Kanzleien geforderten Schadensersatzbeträge steigen werden. Zwar dürfte zu erwarten sein, dass die Rechtsprechung bei umfangreichen Rechtsverletzungen die „200,00 € – Regel“ nicht anwendet, um existenzbedrohende Schadensersatzforderungen zu vermeiden. Nach welchen Kriterien dies aber der Fall sein wird, ist noch offen.
  • Wenn minderjährige Kinder für das Filesharing verantwortlich sind, müssen die Eltern darlegen und beweisen können, dass sie ihr(e) Kind(er) explizit darüber belehrt haben, dass diese das Internet nicht zu Zwecken des Filesharings nutzen dürfen. In dem Verfahren mit dem Az. I ZR 7/14 hatte die Mutter lediglich vorgetragen, ihre Tochter zu einem „ordentlichen Verhalten“ angehalten zu haben. Aus der Pressemitteilung des BGH: „Zwar genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 – Morpheus). Das Berufungsgericht hat im Streitfall jedoch nicht feststellen können, dass die Beklagte ihre Tochter entsprechend belehrt hat. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder allgemeine Regeln zu einem „ordentlichen Verhalten“ aufgestellt haben mag, reicht insoweit nicht aus„.
  • In dem Verfahren I ZR 75/14 wurde der Beklagte veruteilt, obwohl er vorgetragen hatte, zur Tatzeit mitsamt seiner Familie schon gar nicht zuhause, sondern im Urlaub auf Mallorca gewesen zu sein und daher kein Filesharing in seinem Haushalt habe betrieben werden können. Allgemeine Erkenntnisse aus diesem Verfahren dürften sich nicht unbedingt gewinnen lassen, außer ggf. der Erkenntnis, dass man die zur Verfügung stehenden Beweismittel genau prüfen solle. Wenn ich auf Mallorca im Urlaub war, habe ich im Regelfall doch zumindest Flugtickets, eine Hotelrechnung, eine Buchungsbestätigung oder wenigstens Fotos von der Familie am Strand vorzuweisen? Und selbst wenn ich all das nicht habe, stehen die Familienmitglieder doch als – hoffentlich glaubhafte – Zeugen zur Verfügung? Wenn deren Zeugenvernehmung im vorliegenden Fall den BGH nicht davon überzeugen konnte, dass die Familie tatsächlich auf Mallorca war, dann lässt das tief blicken und es stellt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll war, diesen Fall bis vor den BGH zu prügeln.
  • In dem dritten Verfahren mit dem Aktenzeichen I ZR 19/14 bejahte der BGH eine täterschaftliche Haftung des abgemahnten Anschlussinhabers, da dieser vorgetragen hatte, dass seine Ehefrau nicht über die notwendigen Administratorenrechte für das Aufspielen von Programmen auf den PC verfügte und seinem minderjährigen Sohn das Passwort für die Nutzung des PC nicht bekannt war. Damit, so der BGH, habe der Anschlussinhaber dargelegt, wer NICHT als Täter in Betracht komme, nämlich alle im selben Haushalt lebenden Personen außer ihm selbst. Darzulegen sei aber gerade, dass auch dritte Personen die konkrete Möglichkeit gehabt hätten, auf den Internetanschluss zur fraglichen Tatzeit zuzugreifen.

Vorläufige Konsequenz für Filesharing-Fälle aus diesen Urteilen?

  • Minderjährige Kinder explizit über die Gefahren des Filesharing belehren und ein Verbot gerade hierüber aussprechen (am besten wäre natürlich, sich von seinen Kindern ein entsprechendes Schriftstück unterschreiben zu lassen, aber das ist von der Rechtsprechung glücklicherweise noch nicht gefordert und würde auch befremdlich anmuten).
  • Andere Familienmitglieder oder regelmäßig im Haushalt anwesende Personen nicht voreilig als Täter ausschließen, damit der Anschlussinhaber nicht automatisch wieder als einziger möglicher Täter im Fokus steht.
  • Umgekehrt aber auch andere Familienmitglieder nicht voreilig als Täter belasten
  • Allein auf technische Zweifel bzgl. der Sicherheit der Ermittlungen der IP-Adresse und deren Zuordnung zum Anschlussinhaber abzustellen, dürfte im Regelfall wenig erfolgversprechend sein. Man sollte schon in der Lage sein, konkret vorzutragen, warum das Ermittlungsergebnis fehlerhaft sein soll.

Verteidigung gegen Filesharing-Abmahnungen jetzt deutlich erschwert?

Dem ersten Eindruck nach wird man sagen müssen: Nein. Die drei Urteile des BGH haben in Sachen Filesharing keine grundlegend neuen Erkenntnisse ins Spiel gebracht. Verwunderlich mutet an, dass die abgemahnten Rechteinhaber sich offenbar zum Teil mit Argumenten zu verteidigen versucht haben, die von vorneherein deutliche Angriffspunkte aufgewiesen haben. Ärgerlich ist aber, dass der BGH jetzt die 200,00 € Schadensersatz pro Musiktitel zementiert hat. Das dürfte in den Filesharing-Fällen, in denen die Haftung des abgemahnten Anschlussinhabers feststeht, die Verhandlung mit den abmahnenden Kanzleien über die Höhe des Schadensersatzes in so manchem Fall deutlich erschweren.

Ansonsten dürfte für Abmahner und Abgemahnte in Sachen Filesharing weiterhin gelten: „business as usual“