Das LG München I hat einem Fotografen mit Urteil vom 20.06.2022, Az. 42 S 231/21, Schadensersatz und Aufwendungsersatz wegen der unerlaubten Verwendung eines Bildes durch den Kreisverband einer Partei zugesprochen.
Aus den Urteilsgründen:
„Wer sich darauf beruft, Urheber eines Werkes zu sein, trägt hierfür grundsätzlich die Beweislast. Vor dem Hintergrund dieser Beweislastverteilung ist das Amtsgericht rechtsfehlerfrei gem. § 286 Abs. 1 ZPO davon ausgegangen, dass der Kläger Urheber der streitgegenständlichen Fotografie ist: Der Kläger hat sein Werk nicht im Sinne des § 10 Abs. 1 UrhG als seines kenntlich gemacht […] Legt ein Fotograf jedoch eine Anzahl von Fotonegativen vor, die augenscheinlich aus einer Fotoshooting-Serie stammen, spricht ein erster Anschein dafür, dass er Urheber dieser Fotos ist. Dies gilt insbesondere, wenn der Prozessgegner keinen Vortrag zu Aspekten, die gegen die Urheberschaft sprechen, leistet, sondern lediglich die Urheberschaft bestreitet (Wandtke/Bullinger, 5. Aufl., UrhG, § 7, Rn. 39 m.w.N.).“
„Eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG liegt nicht vor. Die Beklagte hat das Lichtbild des Klägers nahezu unverändert übernommen: Lediglich am linken oberen Rand wird ein unwesentlicher kleiner Teil der Fotografie durch einen von der Beklagten angebrachten Schriftzug überdeckt. Zwar kann eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung gemäß § 23 UrhG auch dann vorliegen, wenn das abhängige Werk das benutzte als solches unverändert wiedergibt, denn es ist nicht entscheidend, ob für die Bearbeitung das Original oder ein sonstiges Werkstück in seiner Substanz verändert wurde (BGH, GRUR 2002, 523, 533 – Unikatrahmen; BGH, GRUR 1990, 669, 673 – Bibelreproduktion). In einem derartigen Fall muss jedoch das geschützte Werk in ein neues „Gesamtkunstwerk” derart integriert werden, dass es als dessen Teil erscheint. Vorliegend ist das streitgegenständliche Lichtbild für die Verwendung durch die Beklagte lediglich mit dem Schriftzug „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ überschrieben worden. Dadurch ist es nicht in ein neues „Gesamtkunstwerk“ integriert worden, als Teil dessen es erscheinen könnte.“
„Die Verwendung ist insbesondere nicht durch die Schrankenbestimmung hinsichtlich der Berichterstattung über Tagesthemen nach § 50 UrhG gedeckt. Zu Recht hat das Amtsgericht in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, im Rahmen von § 50 UrhG stehe die Schilderung einer tatsächlichen Begebenheit und keine Meinungsäußerung im Fokus. Zwar ist nach § 50 UrhG nicht nur der nackte Tatsachenbericht privilegiert, sondern auch die den Hintergrund einbeziehende, wertende und kommentierende Reportage, solange die Information über die tatsächlichen Vorgänge noch im Vordergrund steht (BGH, GRUR 2002, 1050 – Zeitungsbericht als Tagesereignis). Vorliegend verwendet die Beklagte das Lichtbild des Klägers aber nicht, um über die Protestveranstaltung, bei der das streitgegenständliche Lichtbild entstanden ist zu berichten. Vielmehr versucht sie die Gegenveranstaltung durch die Überschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ verächtlich zu machen und dies durch Einbindung des Lichtbildes und des Slogans auf ihrer F.-Seite mit Nutzung ihres Logos als eigene Werbung für sich zu nutzen. Dies hat auch das Amtsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt. Zudem gestattet § 50 UrhG die Wiedergabe eines geschützten Werks nur dann, wenn es im Verlauf der Vorgänge, über die berichtet wird, wahrnehmbar geworden ist. Nicht privilegiert ist dagegen eine Berichterstattung, die das Werk selbst zum Gegenstand hat (vgl. BGH, GRUR 1983, 25 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I; BGH, GRUR 1983, 28 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II; OLG Frankfurt a.M., GRUR 1985, 380, 382). Genau das ist vorliegend der Fall, denn die von der Beklagten für sich reklamierte Berichterstattung beschränkt sich auf die Wiedergabe des streitgegenständlichen Lichtbildes als geschütztes Werk.“
„Auch kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, die ungenehmigte Verwendung des Lichtbildes des Klägers sei durch das Zitatrecht gem. § 51 UrhG gerechtfertigt. Zwar ist die Zitierbefugnis nicht auf die in § 51 S. 2 UrhG ausdrücklich erwähnten wissenschaftlichen Werke, selbständigen Sprachwerke und selbständigen Werke der Musik beschränkt und eben so wenig auf die in dem zugrundeliegenden Art. 5 Abs. 3 lit. d der europäischen RL 2001/29/EG nur beispielhaft genannten Zwecke der Kritik oder Rezension. Vielmehr wird allgemein auch ein Bildzitat als zulässig angesehen. Voraussetzung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Werk genutzt wird, um Aussagen zu erläutern, eine Meinung zu verteidigen oder eine geistige Auseinandersetzung zwischen dem Werk und den Aussagen des Nutzers zu ermöglichen, so dass der Nutzer eines geschützten Werks, der sich auf die Ausnahme für Zitate berufen will, das Ziel verfolgen muss, mit diesem Werk zu interagieren (EuGH, C-516/17, ECLI:ECLI:EU:C:2019:625 Rn. 67 f. – Spiegel Online; EuGH, C-476/17, ECLI:ECLI:EU:C:2019:624, Rn. 70 ff. – Pelham). Das zitierende Werk kann sich mit dem zitierten Werk nur dann auseinandersetzen („in einen Dialog eintreten“), wenn beide voneinander unterscheidbar sind. Nur so lässt sich das Zitat von einem Plagiat abgrenzen (Vorlagebeschluss des BGH, GRUR 2017, 895 – Metall auf Metall III; Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 51 Rn. 3). Diese Unterscheidbarkeit vermag das Gericht – wie auch schon das Amtsgericht – hier nicht festzustellen, denn die Beklagte nutzt das Werk nicht zur Auseinandersetzung mit demselben, sondern es übernimmt es nahezu identisch für eigene Werbezwecke.
„Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Schrankenbestimmungen des § 51a UrhG berufen.
Mit dem zum 07.06.2021 in Kraft getretenen § 51a UrhG enthält das deutsche Urheberrecht erstmals eine spezielle Schrankenregelung für Parodien, Karikaturen und Pastiches, um transformative Nutzungen zu gestatten und somit einen Interessenausgleich zwischen den Inhabern von Rechten an bestehenden Werken und denjenigen, die auf Grundlage dieser vorbestehenden Werke Neues schaffen, zu gewährleisten (BT-Drs. 19/27426, 89). Nach § 51 a UrhG ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke der Karikatur, der Parodie und des Pastiches erlaubt. In allen drei Fällen geht es dem Verwender darum, Aufmerksamkeit für die eigene Meinung bzw. künstlerische Aussage dadurch zu erzeugen, dass er mit dieser an ein bekanntes Vorbild anknüpft.
In Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat müssen Parodien, Karikaturen und Pastiches wahrnehmbare Unterschiede zum Originalwerk aufweisen (BT-Drs. 19/27426, 90; LG Berlin, 02.11.2021, 15 O 551/19; OLG Hamburg, 28.04.2022, 5 U 48/05). Dem unter die Schrankenbestimmung des § 51a UrhG fallenden Werk muss eine gewisse Eigenständigkeit zukommen, die es rechtfertigt, es als selbständig gegenüber dem benutzten Originalwerk anzusehen – andernfalls wäre eine zitierende Übernahme, der ein für § 51 UrhG notwendiger Zitatzweck fehlt, gem. § 51a UrhG gerechtfertigt (Glückstein, ZUM-RD 2022, 19, 22). Die Nutzung des vorbestehenden Werkes muss einer inhaltlichen oder künstlerischen Auseinandersetzung des Nutzers mit dem Werk oder einem anderen Bezugsgegenstand dienen und ist insbesondere Ausdruck der Meinungs-, Pressefreiheit oder Kunstfreiheit (BT-Drs. 19/27426, 90). Im konkreten Fall ist stets ein angemessener Ausgleich zwischen den Rechten und Interessen des betroffenen Rechtsinhabers und denen des Nutzers zu gewährleisten, wobei sämtliche Umstände des Einzelfalls, wie etwa der Umfang der Nutzung in Anbetracht ihres Zwecks zu berücksichtigen, sind (a.a.O.).
Bei dem Begriff der Parodie handelt es sich aufgrund seiner Einführung durch Art. 5 Abs. 3 lit. k InfoSoc-RL um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der als solcher einheitlich auszulegen ist (EuGH, GRUR 2014, 972 – Deckmyn und Vrijheidsfonds / Vandesteen u.a.; BGH, GRUR 2016, 1157 – auf fett getrimmt). Nach der Rechtsprechung des EuGH bestehen die wesentliche Merkmale der Parodie darin, „zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder Verspottung darzustellen“ (EuGH, GRUR 2014, 972 – Deckmyn und Vrijheidsfonds / Vandesteen u.a.). Darüber hinaus macht der EuGH das Eingreifen der Schranke von der weiteren Voraussetzung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interessen und Rechten der Rechteinhaber auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes auf der anderen Seite abhängig (EuGH, GRUR 2014, 972 – Deckmyn und Vrijheidsfonds / Vandesteen u.a.).
Vorliegend ist das streitgegenständliche Lichtbild des Klägers in der Verwendung der Beklagten nahezu identisch übernommen worden. Insofern erinnert die Verwendung der Beklagten nicht an das Originalwerk, sondern übernimmt dieses nahezu vollständig. Dem Original wurde nur die Überschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ hinzugefügt, welche das Lichtbild lediglich am linken oberen Eck geringfügig überdeckt. Dadurch sind keine wahrnehmbaren Unterschiede zwischen der Verwendung der Beklagten als möglicher Parodie und dem parodierten Werk zu erkennen und es fehlt somit an dieser notwendigen Voraussetzung für das Vorliegen der Schrankenbestimmung (vgl. hierzu OLG Köln, 20.04.2018, 6 U 116/17 – TV Pannenshow; LG Berlin, 02.11.2021, 15 O 551/19; OLG Hamburg, 28.04.2022, 5 U 48/05). Der Verwendung durch den Beklagten mangelt es an Eigenständigkeit. Durch die Hinzufügung der Überschrift über dem Lichtbild findet gerade keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Werk statt, sondern das Werk dient nur als Mittel einer Auseinandersetzung.
Die Beklagte kann sich nicht auf die Stilfigur des Pastiche gem. § 51a UrhG berufen. Der autonome Begriff des Pastiche wird weder im Gesetz, noch in der InfoSoc-RL definiert. Laut der Gesetzesbegründung zu § 51a UrhG wurde der (französische) Begriff des Pastiche in der Literaturwissenschaft und der Kunstgeschichte ursprünglich verwendet, um eine stilistische Nachahmung zu bezeichnen, beispielsweise das Schreiben oder Malen im Stil eines berühmten Vorbilds; wobei weniger die Nutzung konkreter Werke im Vordergrund steht als die Imitation des Stils eines bestimmten Künstlers, eines Genres oder einer Epoche (BT-Drs. 19/27426, 91). Anders als bei der Parodie und der Karikatur, die eine humoristische oder verspottende Komponente erfordern, kann die Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Werk beim Pastiche auch einen Ausdruck der Wertschätzung oder Ehrerbietung für das Original enthalten, etwa als Hommage (a.a.O.). In Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat muss das ursprüngliche Werk derart benutzt werden, dass es in einer veränderten Form erscheint. Da die Schranke der Verwirklichung der Meinungs- und Kunstfreiheit dient, ist ein Mindestmaß eigener Kreativität des Begünstigten erforderlich, ohne dass dabei die für eine Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderliche Schöpfungshöhe erreicht werden muss (Hofmann, GRUR 2021, 895 898; Spindler, WRP 2021, 1111, 1116).
Diese Begrifflichkeit zu Grunde gelegt, stellt die Verwendung durch die Beklagte kein Pastiche im Sinne des § 51a UrhG dar. Es wird gerade kein Stil nachgeahmt, sondern das streitgegenständliche Lichtbild nahezu identisch übernommen und vervielfältigt. Damit erscheint das Original gerade nicht in einer relevant veränderten Form. Das Mindestmaß an Kreativität ist durch das Hinzufügen der Überschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ nicht erreicht.
Entsprechendes gilt für die Karikatur. Der Begriff der Karikatur ist ebenso wie die Parodie und das Pastiche als autonomer Begriff des Unionsrecht einheitlich und entsprechend der Vorgaben des EuGH in Deckmyn (GRUR 2014, 972) auszulegen. Gemäß der Gesetzesbegründung zu § 51a UrhG beinhaltet eine Karikatur meist eine Zeichnung oder eine bildlichen Darstellung, „die durch satirische Hervorhebung oder überzeichnete Darstellung bestimmter charakteristischer Züge eine Person, eine Sache oder ein Geschehen der Lächerlichkeit preisgibt“. Kennzeichnend ist ein „Ausdruck des Humors beziehungsweise der Verspottung“ zum Zweck der kritischhumorvollen Auseinandersetzung meist mit Personen oder gesellschaftlichpolitischen Zuständen“ (BT-Drs. 19/27426, 91; Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl, § 51a, Rn. 9).
Mangels wahrnehmbarer Unterschiede der Verwendung der Beklagten gegenüber dem Werk des Klägers, welches nahezu identisch vervielfältigt wurde, kann sich die Beklagte auf die Schrankenbestimmung der Karikatur des Originalwerks nicht berufen.