Irreführende Blickfangwerbung durch Zusatzsiegel über dem Siegel der „Stiftung Warentest“

Das OLG Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 09.06.2022, 6 U 12/22 entschieden, dass die Verwendung des Zusatzes „AUSGEZEICHNET“ mit einer goldenen Umrandung über dem offiziellen Testsiegel der „Stiftung Warentest“ irreführend sein kann. Dies sei dann der Fall, wenn ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Kunden davon ausgehe, dass die „Stiftung Warentest“ das Produkt hierdurch mit einer weiteren Auszeichnung versehen habe.

Aus den Urteilsgründen:

Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 UWG unterfallen dem Irreführungsverbot unwahre Angaben und „sonstige zur Täuschung geeignete Angaben“ über die sodann in den Nr. 1 bis 7 aufgezählten Bezugspunkte der Irreführung. Irreführend ist eine Angabe, wenn sie bei den Adressaten eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht (BGH GRUR 2013, 1254 Rn 15 – Matratzen Factory Outlet; BGH GRUR 2016, 1193 Rn 20 – Ansprechpartner; BGH GRUR 2018, 1263 Rn 11 – Vollsynthetisches Motorenöl).

Bei der Prüfung, ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, kommt es nicht auf den objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage über die Ware oder gewerbliche Leistung verstanden haben will. Entscheidend ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (z.B. BGH GRUR 2016, 521 Rn 10 – Durchgestrichener Preis II; BGH GRUR 2020, 1226 Rn 14 – LTE-Geschwindigkeit). Ob eine Angabe geeignet ist irrezuführen, lässt sich daher nur feststellen, wenn man zuvor den Sinn ermittelt hat, den sie nach der Auffassung der umworbenen Verkehrskreise hat. Deren Vorstellung vom Inhalt der Angabe ist maßgebend.

Werbung für Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs richtet sich in der Regel an das allgemeine Publikum. Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH GRUR 2004, 435, 436 – FrühlingsgeFlüge; BGH GRUR 2004, 793. 796 – Sportlernahrung II).

[…]

Der Verkehr wird die angegriffene Aussage so verstehen, dass die Aussage „ausgezeichnet“ der Stiftung Warentest zugerechnet wird und nicht eine eigene Aussage der Antragsgegnerin darstellt. Dabei kann dahinstehen, ob aufgrund der grafischen Gestaltung der Verkehr jede Aussage innerhalb der goldenen Umrahmung des Testsiegels der Stiftung Warentest zugerechnet wird; jedenfalls die einen Benotungscharakter aufweisende Bezeichnung „ausgezeichnet“ wird der Verkehr so auffassen, dass die Stiftung Warentest – über die klassische Benotung mit der Note 2,2 hinaus – die Matratze der Antragsgegnerin mit einer weiteren Auszeichnung versehen habe. Eine solche weitere Auszeichnung ist auch denkbar, wie etwa in Warentests übliche Etikettierungen wie z.B. „Preis-Leistungs-Sieger“ oder „Testsieger“ beweisen.“

Daneben hat das OLG Frankfurt am Main auch entschieden, dass mit einem Testsieg geworben werden darf, wenn durch einen Mouse-Over-Hinweis erläutert wird, dass sich dieser Testsieg nicht auf alle von diesem Hersteller vertriebenen Matratzen, sondern nur auf auf jeweils ausgezeichnete Matratze beziehe. Der Mouse-Over-Hinweis nehme an der Werbeaussage teil:

Nach den Grundsätzen der Blickfangwerbung kann immer dann, wenn der Blickfang für sich genommen eine Fehlvorstellung auslöst, eine irrtumsausschließende Aufklärung durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen, wenn dieser am Blickfang teilhat und dadurch eine Zuordnung zu den herausgestellten Angaben gewahrt bleibt (vgl. BGH GRUR 1999, 264 – Handy für 0,00 DM; BGH GRUR 2000, 911, 912 – Computerwerbung I; BGH GRUR 2003, 163 – Computerwerbung II; BGH GRUR 2003, 249 – Preis ohne Monitor). Der Blickfang selbst darf allerdings keine objektive Unrichtigkeit enthalten. Es muss sich um eine Aussage handeln, an der – trotz ihres irreführenden Charakters – von Seiten des Werbenden ein nachvollziehbares Interesse besteht. Enthält der Blickfang eine objektiv unrichtige Angabe, bedarf es einer Korrektur im Blickfang oder zumindest in einer weiteren Angabe, auf die im Blickfang mithilfe eines Sterns oder einer Fußnote hingewiesen wird. Eine dreiste Lüge, für die kein vernünftiger Anlass besteht, kann auch dann nicht zugelassen werden, wenn ein Sternchenhinweis eine Korrektur enthält (vgl. BGH GRUR 2001, 78 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH GRUR 2012, 184 Rn 28 – Branchenbuch Berg).

In Fällen, in denen der Blickfang zwar nicht objektiv unrichtig ist, aber nur die halbe Wahrheit enthält, muss ein Stern oder ein anderes hinreichend deutliches Zeichen den Betrachter zu dem aufklärenden Hinweis führen. Im Übrigen hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, wie deutlich Störer und aufklärender Hinweis gestaltet sein müssen. Geht es um eine Werbung, die auch vom verständigen Verbraucher flüchtig wahrgenommen wird, muss der Betrachter durch einen Sternchenhinweis oder auf andere geeignete Weise ein Warnsignal erhalten, das ihm zeigt, dass der Blickfang nicht vorbehaltlos gilt.

Nach diesen Maßstäben liegt hier eine zulässige Blickfangwerbung vor. Die Antragsgegner hat unmittelbar hinter den Begriffen „Testsieg“ einen nicht zu übersehenden Störer in Form eines Fragezeichens platziert, der auch technisch durch einen Mouse-Over-Effekt so ausgestaltet ist, dass der Verkehr ohne Probleme seine Auflösung wahrnehmen kann und durch die konkrete Ausgestaltung mit einem im Internet üblichen Fragezeichen sogar direkt darauf hingeführt wird. Er muss nicht umständlich in Fußnoten „wühlen“, sondern kann – ohne den gerade gelesenen Text zu verlassen – in unmittelbarem Kontext hierzu die ergänzenden Inforationen aufnehmen. Es handelt sich also um eine sehr effektive Störer-Auflösung. Es liegt auch kein Fall der dreisten Lüge vor, da die Aussage, dass jeweils ein Modell der Emma One-Schaumstoffmatratze und der Federkernmatratze objektiv Testsieger waren, nicht falsch ist.“

Kurzfassung: Eigene Zusatzsiegel neben offiziellen Testsiegeln sollte man eher sein lassen. Verkürzte Blickfangwerbung dagegen zulässig, wenn deutlicher, aufklärender Hinweis in unmittelbarer Nähe.