Filesharing: AG Köln weist Klage ab – Anschlussinhaber nachweislich im Krankenhaus

Das AG Köln hat mit Urteil vom 13.04.2015, Az. 125 C 635/14, die Klage einer Plattenfirma auf Zahlung von 450,00 € Schadensersatz und Erstattung von 506,00 € Rechtsanwaltskosten wegen der öffentlichen Zugänglichmachung eines Musikalbums in einer Internet-Tauschbörse abgewiesen. Sie vermutete den Anschlussinhaber, einen Familienvater, als Täter. Dieser gab an, zum angeblichen Tatzeitpunkt stationär im Klinikum der Universität Köln behandelt worden zu sein. Seine Ehefrau und seine Kinde hätten zum angeblichen Tatzeitpunkt Zugang zum gemeinsam genutzten Internetanschluss gehabt; er habe sie nach Erhalt der Abmahnung zur Nutzung des Internetanschlusses befragt; die Befragung habe jedoch kein Ergebnis gehabt.

Das Gericht hat die Ehefrau und die beiden Kinder als Zeugen geladen; diese haben sich jedoch schriftlich auf ihre Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Das Gericht hat sodann im schriftlichen Verfahren entschieden und u.a. ausgeführt:

Zugunsten der Klägerin streitet auch keine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses, über den das Filesharing stattfand. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, dann ist eine solche tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12 – Bear Share). Das Gericht geht davon aus, dass die Ehefrau sowie die Kinder des Beklagten im Zeitpunkt der Rechtsverletzung Zugriff zu dem Internetanschluss hatten. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie den fehlenden Zugriff der Angehörigen des Beklagten zu dessen Internetanschluss zu beweisen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass dem Verletzten als Anspruchsteller die volle Beweislast obliegt. Alles andere wäre auch gesetzwidrig: Die tatsächliche Vermutung zu Lasten des Anschlussinhabers basiert auf einem Erfahrungssatz, der nur dann gelten kann, wenn der Anschlussinhaber tatsächlich alleiniger Nutzer des Internetanschlusses ist. Da mindestens die Hälfte aller Internetanschlüsse von mehreren Personen genutzt werden, stellt diese Fallgruppe keinesfalls eine seltene Ausnahme dar, für die der Erfahrungssatz der Vornahme des Filesharings durch den Anschlussinhaber Geltung beanspruchen kann. Ansonsten wäre dies die erste im deutschen Recht aufgestellte tatsächliche Vermutung, die in rund der Hälfte der Fälle ihres Anwendungsbereichs nicht gelten würde„.

Zutreffend weist das AG Köln darauf hin, dass nach wie vor der Rechteinhaber als derjenige, der etwas verlangt, auch beweisen muss, dass seine Behauptungen zutreffen. Behauptet der Rechteinhaber daher, der Anschlussinhaber sei der verantwortliche Täter einer Urheberrechtsverletzung und habe das Filesharing begangen, so muss er dies grundsätzlich beweisen. Hierbei hilft ihm zwar die tatsächliche Vermutung, dass der Anschlussinhaber für das Filesharing verantwortlich ist. Es ist aber eben auch nur das – eine Vermutung. Und die kann der Anschlussinhaber entkräften. Weiter führt das AG Köln aus:

Das Gericht vermag deshalb nicht von der Täterschaft des Beklagten auszugehen; unabhängig davon legen die unstreitigen Umstände (stationärer Krankenaufenthalt des Beklagten seit rund 19 Tagen vor der Tat, 19- bzw. 16-jährige Jugendliche, die im Haushalt wohnen, denen der Internetanschluss zugeordnet ist) die Täterschaft des Beklagten nicht eben nahe. Es ist zu beklagen, dass in Fällen wie dem vorliegenden manche Gerichte mit tendenziöser Rechtsprechung selbst tatsächlich fernliegende Ergebnisse als Ergebnis einer tatsächlichen Vermutung, die eben zu den fernliegenden Annahmen zwingen würde, verkaufen.

Die Klägerin kann von dem Beklagten auch nicht die Zahlung von 506,00 € Abmahngebühren gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG a. F. verlangen. Der Beklagte haftet der Klägerin – wie oben aufgezeigt – nicht als Täter, sie kann ihn aber auch nicht als Störer in Haftung nehmen. Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer auf Unterlassung, wenn volljährige Familienangehörige den ihn zur Nutzung überlassenen Anschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen. Erst wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Rechtsmissbrauch hat, muss er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen ergreifen (BGH, a. a. O.). Im vorliegenden Fall kommen zwei volljährige Angehörige – die Ehefrau des Beklagten X. und der Sohn des Beklagten N. – als Täter in Betracht. Die damit erforderlichen konkreten Anhaltspunkte für ein Filesharing sind aber weder vorgetragen noch ersichtlich„.

Auch hier liegt das AG Köln im Einklang mit der zutreffenden Filesharing-Rechtsprechung, wonach keine übersteigerten Anforderungen an die Entkräftung der tatsächlichen Vermutung einer Täterschaft des Anschlussinhabers gestellt werden dürfen. Manche Gerichte scheinen hierbei soweit gehen zu wollen, dass der Anschlussinhaber den Schuldigen auf den berühmten Silbertablett präsentieren muss, um sich zu entlasten. Dem ist, auch nach den Entscheidungen Tauschbörse I-III des BGH vom 11.06.2015, definitiv nicht zuzustimmen.