Filesharing: Das AG München zum Umfang der Nachforschungspflicht des Internetanschluss-Inhabers

In Bayern ticken die Uhren ja bekanntlich anders. Soweit nichts Neues. Da überrascht es grundsätzlich auch nicht, wenn das AG München mit Urteil vom 09.10.2014, Az. 142 C 3977/15, die wegen Filesharing abgemahnte Anschlussinhaberin, eine Ehefrau und Mutter zweier Kinder, kurzerhand zum Hilfs-Sheriff der Musikindustrie ernennt und ihr umfangreiche Nachforschungspflichten auferlegt, die in keinem vernünftigen Verhältnis zur Realität in deutschen Haushalten stehen. Aus der Pressmitteilung:

Bei einer derartigen Rechtsverletzung muss der Anschlussinhaber darlegen, dass er für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich ist. Die Beklagte trifft eine sogenannte sekundäre Darlegungslast. Dafür ist erforderlich, dass sie als Anschlussinhaberin darlegt, dass die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein eine andere Person und nicht sie selbst den Internetzugang zum fraglichen Zeitpunkt genutzt hat. Das Gericht verlangt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass der Anschlussinhaber Tatsachen darlegen muss, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass eine andere Person den Internetanschluss benutzt hat. Die Beklagte muss weiterhin vortragen, welche anderen Personen selbständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen. Sie muss dafür umfangreiche Nachforschungen zu den potentiellen Anschlussnutzern und ihrem Nutzungsverhalten anstellen, die möglichen Täter befragen und diese dem Gericht – namentlich – mitteilen.

Die Beklagte hat dem Gericht mitgeteilt, dass ihr Ehemann und ihre beiden Söhne, Jahrgang 1993 und 1994, im Haushalt leben und jeder einen eigenen Laptop verwendet. Sie hätten das Internet für Emails genutzt und zu Zwecken der Information. Die Beklagte selbst habe zudem Informationen speziell zu Kochthemen aus dem Internet bezogen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte auf Nachfragen des Gerichts vorgetragen, dass der Anschluss mit einem individuellen Passwort verschlüsselt sei. Die Art der Verschlüsselung sei ihr aber nicht bekannt, da dies von ihrem Ehemann gemacht worden sei. Sie hätte damals einen Tower gehabt, die drei ihr Mann und die Söhne jeweils einen Laptop. Ihr Ehemann habe mit Sicherheit nichts mit Tauschbörsen gemacht. Ob die Söhne an Tauschbörsen teilnähmen, wisse sie nicht; auf Nachfrage hätten sie es abgestritten. Zugegeben habe die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung keiner. In technischer Hinsicht hätten alle vier Haushaltsmitglieder Tauschbörsen-Software installieren können. Als Täter habe sie den großen Sohn in Verdacht, es könne aber auch der Kleinere gewesen sein. Ob am Tattag alle zu Hause gewesen waren, wisse sie nicht mehr, sie gehe aber davon aus, da es sich dabei um einen Sonntag gehandelt habe und alle am nächsten Tag in die Schule oder zur Arbeit hätten gehen müssen. Auf ihrem Rechner sei keine Filesharing-Software installiert gewesen; die Rechner von Ehemann und Kinder habe sie nicht überprüft.

Die Beklagte räumte ein, dass sie es im Grunde nicht wisse, ob ihre Söhne Filme im Rechner angeschaut hätten. Ebenso wenig wisse sie, was ihr Mann im Internet macht. Auch hinsichtlich des Nutzungsverhaltens verstrickte sie sich in Widersprüche.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte nichts Konkretes zum Internetverhalten der Mitbenutzer vorgetragen hat. Sie sei damit ihrer Nachforschungspflicht nicht genügend nachgekommen.

Quelle: Pressemitteilung 34/15 des AG München zum Urteil vom 09.10.2014, Az. 142 C 3977/15

Wir halten fast ironiefrei fest: Nach Ansicht des AG München muss der abgemahnte Anschlussinhaber also selbst ermitteln, wer der wahre Täter ist und das Filesharing begangen hat und seine Nachforschungen am besten auch noch beweissicher festhalten. Ich empfehle hierzu ein tägliches Videotagebuch, in dem für den Fall, dass eines Tages eine Filesharing-Abmahnung ins Haus flattert, das gesamte Leben aller Familienmitglieder minutiös festgehalten wird. Die hierdurch verursachte Beeinträchtigung der Lebensführung ist im Hinblick auf die überragend wichtigen Interessen der Film- und Musikindustrie zu vernachlässigen.

Da fällt einem wirklich nix mehr ein …