Verletzung des Persönlichkeitsrechts? BGH entscheidet über Zulässigkeit der Veröffentlichung von Vornamen & Alter des Kindes eines prominenten Vaters

Bundesgerichtshof

Die Klägerin ist die Adoptivtochter von Günther J. und seiner Ehefrau Thea S.-J., sie trägt den Namen S. Anlässlich der Verleihung der Goldenen Kamera an Günther J. veröffentlichte die Beklagte in der von ihr verlegten Zeitschrift „Viel Spaß“ einen Beitrag über die Ehe der Eltern. Über die Tätigkeit der Ehefrau wird u.a. berichtet wie folgt:

„Sie kümmert sich […] um die vier Kinder, die beiden leiblichen Töchter S. (21) und K. (18) sowie die adoptierten Mädchen K. (14) und M. (10).“

M. verlangt von der Beklagten, die Veröffentlichung, sie sei ein Kind von Günther J., zu unterlassen Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg.

Auf die Revision der Beklagten hat der u.a. für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei zwar durch die angegriffene Veröffentlichung in dem durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen, jedoch müsse sie die Beeinträchtigung hinnehmen. Allerdings verpflichte das Gebot der Rücksichtnahme auf die Persönlichkeit eines betroffenen Kindes die Presse zu besonderer Sorgfalt bei der Abwägung, ob dem Informationsinteresse nicht ohne Namensnennung genügt werden könne. Durch in den Jahren 2006 bis 2008 erschienene Presseberichte über die im Jahr 2000 erfolgte Adoption seien aber Vorname, Alter und Abstammung der Klägerin bereits einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Die Daten seien weiterhin in der Öffentlichkeit präsent und im Internet zugänglich. Das Gewicht des Eingriffs in die Rechtsposition der Klägerin durch die Weiterverbreitung sei dadurch gegenüber einem Ersteingriff maßgeblich verringert. Als Ergebnis der gebotenen Abwägung zwischen den Rechten der Klägerin und dem zugunsten der Beklagten streitenden Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit müsse unter den gegebenen Umständen das Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurückstehen.

Quelle: PM Nr. 181/2013 des BGH vom 05.11.2013

BGH, Urteil vom 05.11.2013 – VI ZR 304/12; Vorinstanzen: LG Hamburg – Urteil vom 13.01.2012 – 324 O 454/11; Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 24.04.2012 – 7 U 5/12

Kommentar:

Das Hauptargument des BGH lautet: Aufgrund der bereits in der Vergangenheit erfolgten Berichterstattung war auch jetzt, Jahre später, die identifizierende Berichterstattung über die minderjärhrige Tochter zulässig. Eine Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei daher zu verneinen. Dies wirft jedoch einige bedeutsame Fragen auf, zumindest solange die offizielle Urteilsbegründung des BGH noch nicht veröffentlicht worden ist und nur die Pressemitteilung zugänglich ist:

Soll tatsächlich eine zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte – zulässige – identifizierende Berichterstattung „für immer“ als Rechtsgrundlage dafür herhalten können, auch in Zukunft für die Öffentlichkeit identifizierbar zu sein? Die Eigenart des Internets liegt nun einmal insbesondere darin, dass es das geschriebene Wort für eine ziemlich lange Zeit konserviert. Theoretisch sogar „für immer“. Selbst wenn also eine Berichterstattung zu einem früheren Zeitpunkt zulässig war, dürfte es verfehlt sein, sie pauschal als Rechtfertigung für wiederkehrende künftige Berichterstattungen heranzuziehen. Überspitzt formuliert würde dies womöglich darauf hinauslaufen, dass sowohl natürlich als auch juristische Personen sich nicht dagegen wehren könnten, nach und nach durch Folgeberichterstattungen immer mehr „entblättert“ zu werden.

Fraglich ist auch, ob damit eine einmal erteilte Einwilligung eines Erziehungsberechtigten zur Veröffentlichung privater Daten seines minderjährigen Kindes als unwiderruflich erteilt gilt oder ob er nach wie vor die Möglichkeit haben soll, die Veröffentlichung sensibler Daten für die Zukunft zu verhindern. Und wie sieht es mit dem minderjährigen Kind selbst aus? Auch dieses muss schließlich, spätestens bei Erreichen der Volljährigkeit, die Möglichkeit haben, selbst darüber zu entscheiden, ob und wie es der Öffentlichkeit bekannt sein will.

Mit Spannung ist daher die offizielle Urteilsbegründung zu erwarten. Jedenfalls aber zeigt diese Entscheidung über den konkreten Fall eines Prominentenkindes hinaus, dass es von großer Wichtigkeit ist, ein Auge darauf zu haben, ob und in welcher Form über die eigene Person berichtet wird. Setzt man sich in Kenntnis einer identifizierenden Berichterstattung über die eigene Person gegen diese nicht zur Wehr, ist es in der Folgezeit im Lichte dieser Entscheidung womöglich noch schwerer, eine erneute Berichterstattung zu verhindern.

Christian Mauritz, LL.M.
Rechtsanwalt