Urheberrecht: Elektronische Übermittlung eines Werkes per Mail ist keine öffentliche Widergabe

Der EuGH hat mit Urteil vom 28.10.2020 – C-637/19 entschieden, dass die Übermittlung eines (urheberrechtlich geschützten) Fotos als Beweismittel an ein Gericht keine öffentliche Wiedergabe des Fotos darstellt.

Der Beklagte eines Verfahrens vor einem schwedischen Gericht hatte als Beweismittel per Mail eine elektronische Kopie einer Internetseite an das Gericht übermittelt. Diese Internetseite enthielt eine Fotografie des Klägers. Der Kläger nahm, darauf muss man zugegebenermaßen erstmal kommen, den Beklagten daraufhin wegen einer Verletzung seiner Urheberrechte in Anspruch. Das schwedische Gericht hatte Zweifel daran, ob es als Adressat der Übermittlungshandlung unter den Begriff der „Öffentlichkeit“ subsumiert werden könne. Es legte diese Frage daraufhin dem EuGH zur Beantwortung vor.

Dieser hat die Vorlagefrage nun dahingehend beantwortet, dass die Wiedergabe nicht „öffentlich“ erfolgt sei. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff der „Öffentlichkeit“ eine unbestimmte Anzahl möglicher Adressaten und setzt auch viele Personen voraus. Die Wiedergabe an das Gericht sei demgegenüber an eine klar definierte und geschlossene Gruppe von Personen gerichtet gewesen. Diese Personen nehmen, so der EuGH, Aufgaben im öffentlichen Interesse wahr und seien daher, in Abgrenzung zur Öffentlichkeit, der Personengruppe eines bestimmten Fachpersonals zugehörig.

Diese Problematik ist auch für andere Konstellationen interessant. In einem aktuell von mir geführten Verfahren geht es um die Frage, ob das Übermitteln von urheberrechtlich geschützten Materialien innerhalb einer geschlossenen Facebook-Gruppe mit recht überschaubarem Personenkreis eine „öffentliche Zugänglichmachung“ nach § 19a UrhG darstellt. Dies wird man verneinen müssen. Relevant ist dies vor allem für die Frage, ob der Urheber wegen des Übermittelns dieser Materialien Schadensersatz verlangen kann. Wenn eine öffentliche Zugänglichmachung zu verneinen ist, wirkt sich dies entscheidend auf die Höhe eines Schadensersatzanspruchs aus, auch wenn eine Verletzung anderer Verwertungsrechte vorliegen mag.