Filesharing: Eltern sollen ihre Kinder verraten – neues Urteil aus München

Das Oberlandesgericht München hat in einem Filesharing-Verfahren die Position der abmahnenden Rechteinhaber erneut gestärkt. In den Verfahren ging es um ein Ehepaar, dass eine Abmahnung wegen Filesharing erhalten hatte. Sie sollen ein Musikalbum der Künstlerin Rihanna über eine Tauschbörse im Internet verbreitet haben. Nach Erhalt der Abmahnung weigerten sich die Eltern, den geforderten Schadensersatz und die Abmahnkosten zu erstatten. Als Verteidigung brachten sie vor, dass sie die ihnen vorgeworfene Urheberrechtsverletzung nicht selbst begangen hätten. Sie verwiesen darauf, dass ihre drei volljährigen Kinder die Möglichkeit gehabt hatten, auf den gemeinsam genutzten Internetanschluss zuzugreifen und diesen zu nutzen. Sie gaben weiter an, und hier wird es wichtig, dass sie wüssten, welches dieser drei Kinder die Urheberrechtsverletzung begangen habe. Sie weigerten sich aber, den Namen dieses konkreten Kindes zu nennen.

Es kam zu einer Klage der Rechteinhaber und die Kinder der verklagten Eltern machten vor Gericht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Das Landgericht München hatte die Eltern mit Urteil vom 1.7.02.015, Az. 37 O 5394/14, zur Zahlung von insgesamt 3.544,40 € verurteilt. Hiergegen legten die Eltern Berufung ein.

Filesharing: strengste Anforderungen an sekundäre Darlegungslast nach OLG München

Das Oberlandesgericht München hat die Rechtsauffassung des Landgerichts München nunmehr jedoch bestätigt und mit Urteil vom 14.01.2006, Az. 29 U 2593/15, entschieden, dass der bloße Verweis auf die Zugriffsmöglichkeit der Kinder nicht ausreichend sei, um die Eltern zu entlasten. Die Eltern hätten, so das OLG München, es nicht vermocht, die gegen sie bestehende Vermutung der Täterschaft zu erschüttern. Sie hätten der ihnen obliegenden sogenannten sekundären Darlegungslast nicht genügt. Es wäre notwendig gewesen, konkrete Angaben zur Urheberrechtsverletzung zu machen. Darunter versteht das OLG München, dass die Eltern hätten angeben müssen, welches der drei Kinder die Urheberrechtsverletzung nun begangen hat. Anderenfalls seien die Rechteinhaber in den Fällen, in denen eine ganze Familie einen Internetanschluss gemeinsam nutzt, quasi rechtlos gestellt, da nicht nachzuvollziehen wäre, wer aus der Familie die Urheberrechtsverletzung begangen hat.

Die Entscheidung des OLG München steht in deutlichem Widerspruch zur aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der BGH lässt es ausreichen, einen alternativen Sachverhalt zur Frage der Täterschaft vorzutragen, ohne dass es notwendig wäre, einen konkreten Täter benennen zu müssen. Der Unterschied zum hiesigen Urteil des OLG München steht nun aber darin, dass in den von dem BGH entschiedenen Fällen nicht bekannt war, ob jemand aus der Familie die Tat tatsächlich begangen hatte (oder zumindest niemand zugegeben hat, dass es bekannt war). Insofern muss man auch sagen, dass es prozesstaktisch vermutlich nicht gerade klug war anzugeben, dass man wisse, welches der eigenen Kinder die Urheberrechtsverletzung begangen hat.

Das Urteil des OLG München ist in meinen Augen schlichtweg falsch und mit den Wertungen des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren. Der grundgesetzlich verbürgte Schutz der Familie aus Artikel 6 GG wird hier ebenso beiseitegeschoben wie das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 ZPO und dem Urheberrecht der Rechteinhaber bzw. dem Grundrecht auf Eigentum der Rechteinhaber aus Art. 14 GG wird die stärkere Bedeutung zu bemessen.

Dies ist vor dem Hintergrund, dass Eltern in einem Strafverfahren wegen irgend einer anderen Straftat vom Gericht nie dazu gezwungen werden könnten, eines ihrer Kinder zu verraten, wenn sie wüssten, dass dieses eine Straftat begangen hat – selbst wenn es sich um schwerste Straftaten wie Mord und Totschlag handeln sollte. Ganz abgesehen davon würde das Gericht dann auch nicht die Eltern verurteilen, nur weil nicht nachzuweisen ist, welches Kind der Täter ist. Und Filesharing als Urheberrechtsverletzung ist zwar grundsätzlich auch eine Straftat, in ihrer Bedeutung aber natürlich nicht annähernd mit Mord oder Totschlag zu vergleichen.

Das einzig Gute an diesem Urteil: Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen. Der BGH wird sich also in nicht allzu ferner Zukunft erneut mit der Frage beschäftigen müssen, welche Anforderungen an die sekundären Darlegungslast eines abgemahnten Anschlussinhabers zu stellen sind.

Sie sind Betroffener? Sie haben eine Abmahnung wegen Filesharing erhalten und sollen nun binnen einer sehr kurzen Frist eine Unterlassungserklärung abgeben sowie Schadensersatz bezahlen? Wie Sie sehen, kann bereits ein einziger Satz (“ wir wissen, welches Kind es war, sagen es aber nicht“) über Wohl und Wehe entscheiden. Holen Sie sich daher schnellstmöglich anwaltliche Unterstützung. Übersenden Sie mir die Abmahnung per E-Mail an info@ra-mauritz.de; ich setze mich schnellstmöglich mit Ihnen in Verbindung.